Reporting
Beautiful clothes for bad times
Das Motorrad-Taxi, auf dem Mapendo Sumuni angedüst kommt, staubt beim Bremsen. Mit erstaunlicher Erhabenheit und Grazie steigt die 35 Jahre alte Designerin vom Rücksitz der wackeligen Maschine und bohrt die Absätze ihrer hohen Schuhe in den Boden der Hauptstraße. Ihre Zöpfe sind adrett auftoupiert, sie trägt dezenten Silberschmuck. Küsschen links, Küsschen rechts, Sumunis Englisch hat einen charmanten französischen Akzent.
Hält man den Atem an und den Kopf still, könnte man meinen, Mapendo Sumuni sei an einem sonnigen Tag in einem Pariser Café am Rande der Modewoche zum Interview verabredet. Stattdessen steht sie mitten in der Regenzeit in Goma, in der Provinz Nordkivu der von gewaltsamen Ausschreitungen geprägten Demokratischen Republik Kongo. Dort, wo die Straßen aus Lehm und Schotter sind, an der Ecke die weißen UN-Fahrzeuge warten, mit Blauhelmsoldaten, die Gewehre auf dem Schoß. Wo sich der warme Geruch des letzten Regengusses mit dem leicht fauligen Duft der Südfrüchte mischt, die Frauen hier am Straßenrand verkaufen, aus riesigen Bastkörben, die sie zwischen Schopf und Stirn balancieren.
Hier hat Mapendo Sumuni einen unscheinbaren Hof gemietet. In einem Holzhaus arbeiten acht Näherinnen für sie. Etwa ein Dutzend weitere kommen als Aushilfen, wenn viel zu tun ist. Sie nähen Kleider, Hosen, Kissen und Laptoptaschen aus kongolesischen Stoffen. Ein paar Straßen weiter werden die Sachen in einem Ladengeschäft verkauft, das so winzig ist, dass man es in drei Schritten ablaufen kann. In den letzten Jahren ist aus der kleinen Boutique Kivu Nuru trotzdem eine Instanz in Goma geworden. Hier werden stilbewusste junge Menschen, die traditionelle Muster und moderne Schnitte suchen, ebenso fündig wie verarmte Hausfrauen, die eine stundenlange Busfahrt vom Stadtrand auf sich nehmen, um bei Sumuni ihren handgemachten Schmuck anzubieten.
„Ich lasse den Krieg nicht definieren, wer ich bin”
Manchmal sagt Mapendo Sumuni Sätze wie aus einem amerikanischen Marketinghandbuch: „Wir sind kein Kleiderstand. Bei uns gibt es Fashion. Schnitte. Innovation.” Sie spricht von Aufträgen, Logistik, von Werbemaßnahmen. Gerade beschäftigt sie der Aufbau internationaler Vertriebswege. Das klingt seltsam entrückt an einem Ort wie Goma. Sumuni weiß das. Als sie ihren ersten Krieg erlebte, war sie zwölf Jahre alt. Aber sie sagt auch: „Ich lasse den Krieg nicht definieren, wer ich bin; wenn wir mit dem Umsetzen unserer Ideen warten, bis es unserem Land bessergeht, fangen wir nie an.” Es ist allein Mapendo Sumunis Geschäftssinn und Entschlossenheit zu verdanken, dass ein so unwahrscheinlicher Ort wie die kleine Boutique überhaupt existiert.
Kongo gilt schließlich als eines der größten Pulverfässer auf dem afrikanischen Kontinent. Dabei versprachen noch vor zehn Jahren die ersten demokratischen Wahlen, dem Land den Weg in den Frieden zu ebnen. Da Präsident Joseph Kabila keine Neuwahlen ausruft, obwohl seine Amtszeit seit vergangenem Dezember zu Ende ist, liegt der nächste Bürgerkrieg täglich in der Luft.
Aus Stoffresten Armreifen und Ketten zu fertigen
Sumunis Familie war weder reich noch arm, die Tochter eine aufmerksame Beobachterin modischer Phänomene. „Ende der Neunziger waren diese Röcke stylisch, die auf der einen Seite einen Schlitz haben. Alle hatten die”, sagt Sumuni heute. Aber soviel der Vater auch arbeitete, er konnte dem Mädchen nicht dieselben Kleider kaufen, wie ihre Freunde sie trugen. Also nahm ihre Mutter Sumuni mit auf den Flohmarkt, suchte einen alten Rock für etwas weniger als einen Dollar und zeigte der Tochter, wie er mit ein Paar Schnitten und Stichen umzunähen war. „Den habe ich noch”, sagt Sumuni und lacht.
Beim bislang letzten Krieg, den sie erlebte, 2012, ist Sumuni schwanger. Als der Babybauch zu sehr im Weg ist, nimmt sie vier Monate Urlaub von ihrem Job. Aus Langeweile beginnt sie, aus Stoffresten Armreifen und Ketten zu fertigen. Freunde und Fremde sprechen sie darauf an. Sie nimmt kleine Aufträge an und muss in ihrer Wohnung bald eine kleine Ecke einrichten, um neue Modelle auszustellen. Bald hat sie jeden Tag das Wohnzimmer voller Kundinnen und beschließt, sich selbständig zu machen. Den Mutterschaftsurlaub will sie nutzen, um an einem Businessplan zu feilen.